Die Fastenzeit ist zu Ende – was bleibt?

In der ORF-Sendung "Miteinander – Füreinander" durfte ich mit Lena Wenzl über moderne Formen des Verzichts sprechen: von Digital Detox über Minimalismus bis hin zu einer neuen Kultur des bewussten Lebens.

Im Rahmen der traditionellen Fastenzeit habe ich mich in diesem Jahr auch persönlich mit den Themen Verzicht, Fokus und geistliche Disziplin auseinandergesetzt. Dabei habe ich mich gefragt:

✨Wie zeitgemäß ist das Einüben von Verzicht wirklich, wirklich? ✨

Auch jenseits der (völlig legitimen) Minimalismus-Bubble? Schon alleine die Begriffe an sich klingen ja nicht gerade nach schillernden Zeitgeistphänomenen.

Schnell war klar: 1. ich brauche einen größeren Kontext und deshalb 2. ist es an der Zeit, mal wieder einen Klassiker von Byung-Chul Han aufzuschlagen. In Vom Verschwinden der Rituale beschreibt er Rituale als „symbolische Techniken der Einhausung“, die unser In-der-Welt-Sein in ein Zu-Hause-Sein verwandeln – sie strukturieren Zeit, geben Stabilität und machen das Dasein bewohnbar.
Auch wenn Rituale individuell ausgeführt werden, erzeugen sie doch Gemeinschaft – weil sie immer kulturell eingebettet sind. Wie die Fastenzeit.

Sie verbinden, geben Halt, schaffen Bedeutung. Und genau das fehlt zunehmend in unserer hyperindividualisierten und beschleunigten Gesellschaft. Han meint:

Ohne Rituale zerfällt Zeit in punktuelle Gegenwarten – bruchstückhaft und ohne Tiefe.

Zukunftsfrage zum Weiterdenken, auch für mich: Wenn unsere Zeit zunehmend in punktuelle Gegenwarten zerfällt, die sich nur an der Oberfläche entfalten – was bedeutet das für die Qualität der Zukunft, die sich daraus entwickelt? 🕵️‍♀️

Han, Byung-Chul. Vom Verschwinden der Rituale: Eine Topologie der Gegenwart. Ullstein Buchverlage, 2019.

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